Vor vielen Jahrtausenden, als die Welt noch jung war gab es am südlichen Rande des Hains der tausend Ratten, der damals noch der Singende Wald hieß, eine kleine Siedlung, in der einige Menschen lebten. Sie lebten durch das, was ihnen der Wald gab. Sie nahmen sein Holz, jagten die Tiere und suchten in ihm Schutz bei Gefahr, denn zu dieser Zeit gab es hier noch keine einzige Ratte. Diese Gruppe Menschen lebten in Ehrfurcht vor der Natur und allen Lebewesen und so kam eines Tages Iara zu ihnen. Die Göttin nahm, um die Menschen nicht zu ängstigen, die Gestalt einer jungen und schönen Frau an. Als sie durch das Dorf lief, erfreute sie sich an den Menschen und deren Taten. Da bat ihr ein Mann einen Platz an seinem Tisch an und Iara trat ein und nahm die Speisen, die er ihr zubereitet hatte. Der Mann hieß Willehalm und lebte schon sein ganzes Leben in dem Dorf. Er war groß wie eine Buche, stark wie eine Eiche und sanft wie eine Weide. Und so redeten sie miteinander und der Mann erfuhr viel Neues und sah die Welt von nun an mit anderen Augen. Als der Willehalm Iara bat zu bleiben, meinte sie zu ihm: “Nein, mein Freund, ich kann nicht hier verweilen. Ich muss zurück, doch ich danke dir deine Gastfreundschaft. Wir werden uns wieder sehen, schon bald.” Und so ging Iara hinaus, doch als sie durch die Türe auf den weichen Boden trat überkam sie eine Vorahnung. Sie würde den Mann wiedersehen, doch an eben diesem Tag sollte etwas schreckliches geschehen und nicht nur der Mann, sondern auch sie würden schreckliches erleiden müssen. Und so sagte sie zu dem Mann: “Leb wohl und suche nicht nach mir. Vielleicht kannst du so ein großes Unheil verhindern.” Und mit diesen Worten verschwand sie im Wald, der nur vom Mond beleuchtet war. 

Zuerst wunderte sich Willehalm über diese seltsame Frau, doch ließ die Sache auf sich beruhen. Erst nach mehreren Wochen sehnte er sich nach ihr, als er alleine in seinem schönen Haus lebte und so fing er an, sie an dem einzigen Ort zu suchen, den er kannte. Im Singenden Wald, wo er sie verschwinden sah und den zu diesem Zeitpunkt niemand zu fürchten brauchte. Viele Jahre später, als Iara zum Singenden Wald zurückkehrte, geriet sie in eine Falle von Chimon, der ihr dort mit einer Armee von Abscheulichkeiten auflauerte. Dieser sandte ihr Nachricht, er wolle das Dorf am Waldrand zerstören und so eilte sie unvorsichtig zu Hilfe. Und als sie im Singenden Wald auf Chimon traf, gab Chimon den Befehl, die Göttin des Lebens in sein Reich zu bringen. Doch da erschien plötzlich, wie aus dem nichts, Willehalm und Iara erkannte, dass dies der Moment war, den sie gefürchtet hatte. Der Mann stellte sich Chimon gegenüber und zog seine Waffe. Er holte zu vielen mächtigen Schlägen aus, die jeden noch so großen Krieger gefällt hätten, doch Chimon konnte er nichts anhaben. Gerade als Chimon den Mann greifen und in sein Reich hinabführen wollte, nahm Iara all ihre Macht zusammen und ließ Willehalm im Wald verschwinden. Und Chimon nahm Iara mit in sein Reich, wo sie verweilen musste. Um den Mann zu finden, ließ Chimon den Wald von seinen Rattenhorden durchsuchen: “Geht in diesen Hain und ihr möget erst wiederkehren, wenn ihr mir den Jungen bringt.”

Doch die Ratten fanden den Mann nicht und so dürfen sie, bis zum heutigen Tage nicht zu ihrem Herren wiederkehren. Doch die Vögel und Grillen hörten auf zu singen, denn schon bald gab es nur noch wenige von ihnen und so gab man dem Wald schon bald einen neuen Namen: Der Hain der tausend Ratten.